Berner Zeitung, 17.04.2010
«Wir verlieren jetzt kein Spiel mehr»Vor dem schwierigen YB-Spiel am Sonntag in Sion ist David Degen zuversichtlich. Der Mittelfeldspieler spricht über den Titelkampf und den FC Basel, über die Chancen der Berner und seine Rolle, über die Zukunft und die WM.
Warum wird YB Meister
David Degen: Weil wir den Titel verdient haben. Weil jeder Spieler alles dafür gibt. Und weil 24 Jahre Warten auf den Meistertitel für einen Verein wie YB und seine vielen Fans genug sind.
Derzeit überzeugt YB aber nicht.
Wir haben zuletzt zweimal nicht stark gespielt. Gegen Bellinzona beim 2:1-Sieg gings noch gut, bei GC zuletzt war das Beste für uns die knappe Niederlage. Wir hätten viel höher als 1:2 verlieren können, bei uns hat es von A bis Z nicht gestimmt. Aber solche Spiele kann es geben. Wir müssen jetzt aufwachen, der Titelkampf ist eröffnet.
Wie ist eine derart mutlose und leidenschaftslose Leistung wie bei GC im Titelkampf möglich?
Das wüsste ich auch gerne. Keiner setzte ein Zeichen, keiner wehrte sich. Wir müssen die Lehren daraus ziehen. Wir haben in dieser Saison auf jede Niederlage reagiert. Das wird auch in Sion so sein. Wir müssen unser Selbstbewusstsein zeigen, das fängt bei der Körpersprache an. Wenn der Gegner uns sieht, muss er in unseren Blicken sehen, dass heute für ihn nichts zu holen ist. So wie es in der Vorrunde war.
Die Stimmung in der Mannschaft ist aber weiter gut?
Natürlich, sie ist sogar sehr gut. Jetzt ist es wie im Playoff im Eishockey, wir müssen beinahe 24 Stunden am Tag an unser Ziel denken. Hey, wir können Meister werden, und das aus eigener Kraft! Wenn einer das Gefühl hat, er sei nicht bereit, sich in den nächsten Wochen nur mit dem Titel zu befassen, dann soll er das dem Trainer sagen. Denn geschenkt wird uns nichts.
Wie meinen Sie das?
Die Basler sind clever. Sie wollen uns mit ihren Aussagen unter Druck setzen. Aber bei mir erreichen sie damit genau das Gegenteil. Sollen sie reden, wir antworten auf dem Platz. Wir verlieren jetzt kein Spiel mehr, daran habe ich keine Zweifel. Und wenn es zu einer Finalissima kommt, dann sind wir bereit für Basel.
Das YB-Restprogramm ist aber schwierig.
Ja, weil ich weiss, dass wir stark genug für den Titel sind. Wir können uns nur selber schlagen. Und wer Meister werden will, der muss Big Points schaffen. Wir haben die Möglichkeit dazu, in Sion, in Zürich, in Luzern. Wir dürfen uns nicht zu sehr mit dem FCB und den Nebenschauplätzen beschäftigen.
Sie haben bei Ihrem früheren Verein FC Basel gute Freunde wie zum Beispiel Sportkoordinator Georg Heitz. Wie eng ist der Kontakt in diesen Wochen?
Natürlich haben wir Kontakt, natürlich gibt es Sprüche. Beim FCB hat es mit Benjamin Huggel, Marco Streller und Alex Frei ja auch drei Nationalspieler und Basler, die ich gut kenne. Sie wissen, dass wir in Bern bereit sind. Die Zeit der zweiten Plätze muss für YB vorbei sein. Die Basler haben Respekt vor uns, wir respektieren sie. Ich finde, das ist ein Duell auf hohem Niveau.
Wie sehr spüren Sie das Berner Sport-Trauma, in entscheidenden Spielen oft zu versagen?
(energisch) Welches Trauma? Was in den letzten 24 Jahren war, interessiert mich überhaupt nicht. Es zählt das Hier und Jetzt. Die Unterstützung durch die YB-Fans ist fantastisch, alle sehnen sich nach einem Titel.
Sie wohnen in Oberwil im Kanton Baselland.
ja, aber ich werde bald mit einem Kollegen in eine Wohngemeinschaft ziehen in Bern. Und vor Partien übernachte ich immer im Hotel Bern. Und, ja, es ist für mich als Basler speziell, gegen den FCB um den Titel zu kämpfen. Aber nicht mehr so stark wie früher.
Ist das nicht heikel für einen jungen Mann wie Sie, in einem Hotel in Bern mitten in der Stadt mit allen Restaurants, Bars und Klubs rundherum zu übernachten?
Nein, nein, absolut nicht. Fussball ist meine Leidenschaft, mein Leben. Ich gehe sowieso nicht mehr so oft in den Ausgang. Und schon gar nicht vor Spielen. Lieber sitze ich mit Kollegen zusammen und diskutiere, ich interessiere mich stark für wirtschaftliche und politische Zusammenhänge.
Der Druck ist aber da, YB führt seit der 3.Runde die Tabelle an.
Für uns ist es jetzt zehn vor Zwölf, aber nicht im Sinn, dass wir unter Druck sind. Bei Zwölf wollen wir den Titel feiern, für den wir das ganze Jahr gearbeitet und bei Null angefangen haben. Und dann bleibt später noch genug Zeit für die Bars und Klubs.
Wie sehen Sie Ihre Rolle bei YB?
Ich habe meinen Vertrag um vier Jahre bis 2014 verlängert, weil wir ausgezeichnete Perspektiven besitzen. Wir wollen Titel gewinnen, die Champions League ist ein Ziel. Der Klub ist ehrgeizig und hat hohe Ziele. Das passt gut zu mir.
Das Ausland ist also kein Ziel mehr für Sie? Sie haben ja bestimmt Klauseln in Ihrem Vertrag, um YB verlassen zu dürfen.
Das mit den Klauseln möchte ich nicht kommentieren. Aber ich möchte irgendwann noch einmal ins Ausland, das ist das Ziel jedes Fussballers. Derzeit hat das jedoch keine Priorität.
Sie spielen rechts im Mittelfeld, in der Vorrunde waren Sie links.
Ob links oder rechts spielt keine Rolle. In unserem 3-4-3-System ist die Position auf der Seite sehr intensiv, man muss laufen, laufen, laufen, rauf und runter. Das kostet Kraft. Ich denke, mit meinen Fähigkeiten bin ich geeignet dafür, aber ich möchte mehr Einfluss nehmen als zuletzt.
Spüren Sie keine Auswirkungen mehr vom Pfeiffer’schen Drüsenfieber, an dem Sie am Anfang der Rückrunde einige Wochen litten?
Nein, die Blutwerte sind gut, ich fühle mich fit. Und ich merke, dass mir jeder Match guttut.
Eher schwierige Zeiten erlebt Ihr Bruder Philipp Degen in Liverpool. Ist er mit seinem sehr gut dotierten Vierjahresvertrag in einem goldenen Käfig?
Vielleicht ist das ein bisschen so. Er hat aber auch Pech gehabt mit Verletzungen. Ich kenne meinen Bruder, ihm geht es nicht ums Geld. Wenn er nicht öfter eingesetzt wird, dann drängt sich ein Transfer wahrscheinlich auf.
Für Schweizer Vereine dürfte er viel zu teuer sein.
Ja, das sehe ich auch so. Aber er würde einen Verein im Ausland finden. Und es ist unser Ziel, irgendwann noch einmal gemeinsam in einem Team zu spielen.
Wie hoch schätzen Sie denn die Chance ein, dass beide Degens im Sommer an der WM in Südafrika dabei sein werden?
Das kann und will ich nicht beurteilen. Im Fussball ist es leider so, dass der Trainer nicht immer so entscheidet, wie man es als Fussballer will. Aber wir haben die Möglichkeit, uns mit guten Leistungen aufzudrängen.
Verfolgen Sie die Leistungen Ihrer Konkurrenten wie Davide Chiumiento, Johan Vonlanthen oder Xherdan Shaqiri aufmerksam?
Nein, was würde mir das bringen? Die Schweiz hat viele gute Spieler, am Ende entscheidet der Nationaltrainer, welche 23 Fussballer er an die WM mitnehmen will. Ich hoffe einfach sehr, im WM-Aufgebot dabei zu sein.
Denken Sie manchmal, dass die YB-Fussballer bei Ottmar Hitzfeld keine Lobby besitzen?
Auch hier ist es nicht meine Aufgabe, das zu beurteilen. Und wenn es wirklich so wäre, würde es einzig an uns liegen, das zu ändern. Zum Beispiel mit sehr guten Spielen in den nächsten Wochen. Und wenn wir dann Meister werden, stehen vielleicht plötzlich mindestens so viele Spieler der Young Boys im Kader wie vom FC Basel.
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