Bz, 10.03.2006
Kampf gegen «Alpenmax»
Eine Grossdiskothek im Stade de Suisse? Nein, sagen Anwohner. Sie bangen um ihren Schlaf. Vermieterin Marazzi will Lärm jedoch vermeiden. Mit dem «Alpenmax» in Winterthur gibt es diesbezüglich keine Probleme.
Kritischer Blick zum Stadion: Hanspeter und Lydia Riesen / Andreas Blatter
Das Tanzhaus Alpenmax will «die Nacht zum Tag machen». So jedenfalls steht es auf der Homepage. In «traumhaftem Alphüttenambiente» könnten die Gäste ein «gediegenes Cüpli» oder «literweise Margarita» trinken. Und die DJs würden «Stimmung und gute Laune bis in den frühen Morgen» verbreiten. Die Winterthurer können das Gaudimaximum bereits jetzt geniessen. Und für die Betreiber des Stade de Suisse ists offenbar ein Glücksfall: Die Entertainment Company mietet nämlich gleich zwei Stockwerke. Damit sind 98 Prozent der Gesamtfläche im Stadion genutzt. Doch in der Umgebung des Stade de Suisse regt sich Widerstand.
Gegner reagierten sofort
Das Baugesuch für eine Disco mit Platz für 1500 Gäste und eine generelle Überzeitbewilligung hat sofort die Gegner auf den Plan gerufen. An vorderster Front wehrt sich Stadträtin Lydia Riesen von den Schweizer Demokraten. «Wir fürchten uns vor den Immissionen des Betriebs», sagt sie. Im Gegensatz zu den Fussballspielen oder Konzerten, welche meistens vor Mitternacht zu Ende seien, wolle der Klub bis halb vier Uhr Nachts geöffnet bleiben. «Das führt unweigerlich zu einer grossen Lärmbelästigung und schlaflosen Nächten für die Anwohner», heisst es in ihrer Einsprache. Die Bewohnerin des Hochhauses an der Westseite des Stadions hat bereits einschlägige Erfahrungen gemacht. Auch ohne Discos habe sie schon menschliche Exkremente aus dem Garten entfernen müssen.
Die Riesens mobilisieren die Quartierbewohner und haben dazu 1000 Vorlagen für Einsprachen ans Regierungsstatthalteramt verteilen lassen. Aufgesprungen sind auch das Grüne Bündnis und der Dialog Nordquartier. Als nicht einspracheberechtigte politische Partei stellte das Grüne Bündnis die Einsprache der rechtsbürgerlichen Stadträtin und ihres Gatten gar auf ihre Homepage. Weil man sich für die Wohnumfeldverbesserung einsetze, wie es in einer Mitteilung heisst.
«Alpenmax»: überrascht
Die Aktion läuft mit Erfolg: «Der Rücklauf ist überwältigend», sagt Lydia Riesen. Stapelweise würden die Einsprachen im riesenschen Briefkasten landen. «Eine Diskothek kommt für uns überhaupt nicht in Frage», stellt sie klar. Und zusammen mit Parteikollege Dieter Beyeler hat sie gestern im Stadtrat zudem eine Dringliche Interpellation zum Thema eingereicht.
Einigermassen überrascht ob der Opposition reagieren die Betreiber der Alpenmax-Diskotheken. Teilhaber Fredy Wiesner gibt sich zugeknöpft, er sagt lediglich, man wolle keine Probleme mit den Anwohnern. Auskunft zu geben sei Sache der Stadionerbauerin Marazzi Generalunternehmungen AG.
Zugang durch Einstellhalle
Zuständig ist dort Daniel Krebs. Er beruhigt: «Wir werden alles tun, damit keine Lärmbelästigungen vorkommen.» So sei der Standort des «Alpenmax» an der Papiermühlestrasse zwischen der Einfahrt zum Parkhaus und dem YB-Fanshop platziert.
Die deutschen Betreiber würden gegen 80 solcher Tanzhäuser betreiben. Sie hätten Sicherheitskonzepte, die man in der Schweiz noch gar nicht kenne. Es seien Profis, die Ärger mit der Nachbarschaft tunlichst vermeiden würden. Er selbst habe so ein Tanzhaus besucht: «Man fährt in die Einstellhalle und gelangt durch einen speziellen Zugang in die Diskothek.» Er sei gar nie draussen gewesen, so Krebs. Dasselbe sei auch für Bern geplant. Dass Einwände erhoben würden, kenne er: «Das haben wir uns schon vor Jahren überlegt.» Wenn er die Einsprache lese, könne er nur sagen: «Sie rennen offene Türen ein.» Man wolle die Bewilligung abwarten und dann informieren. Schade findet er, dass die Sache in den Medien ausgetragen werden müsse. Wie ist es denn nun wirklich mit Lärm und Belästigungen?
Seit November 2002 ist in Winterthur beim Einkaufszentrum Neuwiesen ein «Alpenmax» mit Platz für 800 Personen geöffnet. Es finden auch so genannte Frankenpartys statt. Motto: «Alles für drei Stutz.» Die Voraussetzungen für einen Vollrausch und entsprechendes nächtliches Gejohle wären also gegeben. Die Gäste müssen rund 200 Meter bis zum Parkhaus am Bahnhof zu Fuss zurücklegen. Aber: «Wir haben erstaunlicherweise praktisch keine Beschwerden wegen Lärm», sagt Alexandra Pfister von der Winterthurer Stadtpolizei.
Kommentar
Das Dorf ruft
Bern möchte gern in einer anderen Liga spielen. Das letzte Jahr mit der Eröffnung von Klee-Zentrum und Stade de Suisse sowie der Einstein-Ausstellung war da-für sicher ein guter Anfang. Aber Veränderung schafft man nicht allein mit ein paar neuen Bauwerken.
Veränderung hat auch mit dem Lebensstil der Bevölkerung zu tun. Mit einem Ausgehangebot zum Beispiel, das dem veränderten Freizeitverhalten der Jungen gerecht wird.
Discos liegen im Trend. Ebenso, dass man erst um 11 Uhr abends in den Ausgang geht. In der Altstadt streitet man sich darüber, wieweit Restaurants und Bars längere Öffnungszeiten bewilligt werden sollen. Der Gemeinderat möchte, dass sie keine Überzeitbewilligung mehr beantragen können – so hat er es im Entwurf zur neuen Bauordnung festgehalten, die nächsten Donnerstag im Stadtrat zur Debatte steht. Die vorberatende Kommission ist anderer Meinung. «Wer in der unteren Altstadt wohnt, muss mit Nachtlärm rechnen», sagte SP-Stadtrat Stefan Jordi.
Das ist natürlich eine abstruse Argumentation. Wer in einer Stadt wohnt, muss grundsätzlich mit Nachtlärm rechnen. Ob er nun im Zentrum oder an den Rändern der Stadt lebt. An Berns Rändern ist momentan einiges in Bewegung, im Norden mit dem Stade de Suisse und im Westen mit Brünnen. Bewegt sich auch das Nachtleben an die Ränder, ist erbitterter Widerstand der Anwohner aber programmiert. Wie jetzt im Wankdorf: In einer unheiligen Allianz schiessen Lydia Riesen, Stadträtin der Schweizer Demokraten, und das Grüne Bündnis gegen die geplante Disco im Stade de Suisse. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich genauer über Betrieb und allfällige Störungen der Nachtruhe zu erkundigen. Es geht ihnen offenbar auch nicht darum, eine für alle Seiten erträgliche Lösung zu finden. Ihr allgemeiner Unmut über das multifunktionelle Stade de Suisse, das aus ihrer Sicht zu viel Umtrieb ins Quartier bringt, scheint sich nun einfach in den organisierten Einsprachen gegen die Disco zu entladen. Gegen feuchtfröhliche Nächte und Pubfestivals auf dem BEA-Gelände haben sie bisher ja keine Einsprachen gemacht.
Das Gezerre um Überzeitbewilligungen in der Altstadt oder die Einrichtung einer Disco in einem neuen Zentrum am Stadtrand machen es deutlich: Bern ist im Geist noch immer ein Dorf. Keine Spur von einer anderen Liga.
bernhard.giger@bernerzeitung.ch