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 Betreff des Beitrags: Re: (Trainer) Raphael Wicky
 Beitrag Verfasst: Montag 4. Juli 2022, 00:14 
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03.07.2022

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Zitat:
YB-Trainer Wicky bangte monatelang um seinen Vater

«Ich war fast täglich auf der Intensivstation»

YB ist zurück aus dem Gstaader Camp. Zeit, mit Neo-Trainer Raphael Wicky eine erste Bilanz zu ziehen – aber auch auf Basel, die USA und den Spieler Wicky zurückzuschauen. Und wie siehts im Alter von 45 Jahren mit Kindern aus?

Das Trainingslager ist zu Ende. Oft ist es für die Spieler sehr physisch. Sie versuchen sich irgendwann bloss noch durchzumogeln. Waren Sie als Spieler auch so?
Raphael Wicky: Ich war gern im Trainingslager. Auch wenn ich Trainer hatte, unter denen man dreimal am Tag und sehr hart trainierte. Das Programm ist im Wesentlichen immer noch dasselbe: Aufstehen, Morgenessen, Trainieren, Essen, Schlafen, Trainieren, Essen, Schlafen. Das war doch paradiesisch. Ein schönes Mittagsschläfchen. Als Trainer ist das nicht mehr möglich …

Aber die Spieler sind nicht mehr dieselben wie vor zwanzig Jahren.
Die Generation ist eine andere. Die jungen Leute, egal ob Fussballer oder nicht. Der Umgangston ist anders. Man versucht den Spielern viel öfter zu erklären, warum man etwas macht, weil sie das erwarten. Aber sie wollen auch hart arbeiten.

Sie gelten als akribischer Arbeiter. Wäre die gutschweizerische Bezeichnung «Tüpflischiesser» eine Beleidigung für Sie?
Nein. Es ist ein Kompliment für einen Trainer, detailversessen zu sein.

Der respektvolle und anständige Mensch Raphael Wicky und YB, der Klub, dem solche Werte enorm wichtig sind – auf den ersten Blick passt das hervorragend zusammen.
Das denke ich auch. Beide Seiten haben in den Gesprächen schnell gemerkt, dass man ähnliche Vorstellungen von der Art und Weise hat, wie man arbeiten möchte. Sehr ambitioniert und bodenständig. Aber auch mit der nötigen Streitkultur. Als Trainer ist es mein Job, Entscheidungen zu treffen, weil ich mehr als elf Spieler habe. Da gehts nicht darum, es jedem recht zu machen. Ich muss auch hart und kann nicht immer fair sein.

Können Sie in der Garderobe auch mal «tun wie die Sau», richtig laut werden?
Selbstverständlich. Ich bin der Überzeugung, dass es im Fussball kein richtig oder falsch gibt. Es gibt Trainer, die sind immer emotional – und haben Erfolg. Und es gibt Trainer, die sind die Ruhe selbst – und haben auch Erfolg. Entscheidend sind für mich zwei Dinge: Sich selber und bestimmt zu sein. Wenn ich jeden Tag vor die Mannschaft stehen und herumschreien würde, würden die Spieler bald merken, dass ich ihnen etwas vormache.

Wann ist das der Fall, dass Wicky laut wird?
Wenn der Effort nicht da ist, die Leidenschaft, die Mentalität, die Bereitschaft – dann sind Emotionen seitens des Trainers unbedingt nötig.

Das bringt Sie auf die Palme.
Ja. Als Spieler hatte ich vor jedem Spiel ein Ziel: Mir nicht vorwerfen zu müssen, zu wenig gerannt zu sein oder gekämpft zu haben. Wenn ich spüre, dass ein Spieler das nicht macht, kanns laut werden.

Sie sind da der Chef. Wie schauts zu Hause aus, wer hat da die Hosen an: Ihre Frau Laura – oder Sie?
(Lacht.) Ich habe kein Problem zu sagen, dass sie in gewissen Bereichen das Sagen hat. Unsere Ehe funktioniert bislang sehr gut, indem wir vieles diskutieren. Gerade wenn es um die grossen Dinge geht, zum Beispiel in die Schweiz zu ziehen oder in die USA.

Kinder – ein Thema?
Ja, klar. Wir schauen, ob es passt, ob es klappt. Das hat man ja nicht immer nur in der eigenen Hand.

Sie sind 45. Da wirds langsam Zeit …
Wir sind offen für eine Familie.

Sie haben nach Ihrem Rauswurf bei Chicago Fire bewusst eine Auszeit genommen. War der Anfangspunkt des Neustarts im Juni 2022 von Beginn weg so vorgesehen?
Ja. Ende November habe ich das entschieden. Ich hatte Ende Jahr einige Kontakte, sagte mir aber, Winter und auch Frühling seien keine Zeitpunkte für eine Rückkehr. Es sei denn … Sie wissen schon.

Da gehört der Klub aus Ihrer Walliser Heimat, der FC Sion, sicher nicht dazu.
Nein.

Was haben Sie in den acht Monaten gemacht?
Die ersten fünf Monate war ich fast täglich auf der Intensivstation. Mein Vater war von Juli bis Ende Januar im Spital. Da war ich vor allem für die Familie da. Ab Mitte Februar ging ich für drei Monate zu Laura, die in Los Angeles arbeitete. Da hatte ich Zeit, mir Gedanken zu machen, mich mit anderen Trainern auszutauschen und gewisse Dinge anzuschauen.

Was hat Ihr Vater gehabt?
Er musste sich einer extrem schwierigen Herzoperation unterziehen, bei der es im Nachgang viele Komplikationen gab. Es ging ihm sehr schlecht. Erst seit Januar wissen wir, dass es in die richtige Richtung geht. Deshalb konnte ich auch während drei Monaten in die Staaten gehen.

Solch ein Timeout von einigen Monaten – ist das nicht fast alle paar Jahre Pflicht beim Stresslevel, den der Trainerjob mit sich bringt?
Man hat viel Druck. Man macht sich selber enorm viel Druck. Solche Pausen tun gut. Mir jedenfalls. Und man sieht es den Gesichtern der Trainer an, dass sie nach einigen Monaten Pause viel besser aussehen.

Und jetzt steht die nächste Drucksituation bei YB an: die Mission Rückeroberung des Meistertitels!
Es ist nicht der Zeitpunkt, grossartig Ziele bekannt zu geben. Wir haben das Kader ja erst seit dem Trainingscamp beisammen. Und es kann während der Transferzeit noch viel passieren. Aber dass es nicht die Ambition von YB sein kann, die Saison als Dritte zu beenden, ist ja klar. Wir wollen maximalen Erfolg.

Wie gross ist der Druck, den Titel zurückzuholen?
Der Erfolgsdruck ist in diesem Job immer da. Ich versuche, das so zu handhaben, dass ich mir sage: Ein Resultat kann ich nicht kontrollieren. Viele andere Dinge auch nicht. Also konzentriere ich mich auf die Dinge, die ich kontrollieren kann. So gelingt es mir, mich nicht vom Druck auffressen zu lassen und diesen in positive Energie umzuwandeln.

Das Business ist aber so verrückt, dass die Trainer sowohl bei Basel wie auch bei YB kurz nach der besten Champions-League-Kampagne der Klubgeschichte gefeuert wurden. Bei YB war das David Wagner. Bei Basel … Sie …
Ich will nicht auf Basel zurückschauen. Nur so viel: Präsident Bernhard Burgener und andere haben gesagt, dass es ein Fehler gewesen sei, mich zu entlassen. Ich finde, wir haben in Basel einen guten Job gemacht, auch wenn wir das Ziel Meister verpasst haben. Aber wir haben viele andere Ziele erreicht, die Verjüngung angestossen und für rund sechzig Millionen Franken Spieler verkauft.

Nach dem FCB folgte Ihre US-Zeit. Was haben Sie da mitgenommen?
Viel Erfahrung! Ich habe mich als Mensch und Trainer weiterentwickelt. Im Trainergeschäft lebt man von Erfahrungen und wird mit diesen besser. Deshalb sind viele Trainer im Alter besser, als sie es vor zwanzig Jahren waren. Und ich bin ganz sicher weiter als vor fünf Jahren.

Was hat Sie ausser dem Sport in diesem verrückten Land geprägt?
Ich habe die ganze Covid-Zeit dort verbracht, was diese zwei Jahre sehr schwierig gemacht hat. Mit Laura – sie ist Kalifornierin – diskutiere ich viele andere Dinge, die in Amerika abgehen. Wir waren in Chicago, als die Präsidentschaftswahlen waren. Das war sehr spannend.

Und dann gibt es auch Dinge wie den vorherigen Präsidenten, der wiedergewählt werden könnte, oder den Entscheid des Supreme Courts gegen die Abtreibung …
Es gibt neben den tollen Sachen in diesem Land in der Tat Dinge, die man nicht versteht.

Am Dienstag spielt YB gegen Dynamo Kiew. Welche Bedeutung hat dieses Spiel im Lichte des Laufs der Dinge auf der Welt?
Mir geht es wohl wie den meisten Menschen: Man macht sich viele Gedanken über diesen fürchterlichen Krieg. Auf unser Testspiel bezogen, denke ich mir: Was macht Dynamo? Sind die Spieler seit Monaten weg von zu Hause und touren nun? Man fühlt mit ihnen mit, das ist klar. Und wir freuen uns auf sie. Aber fern der politischen Komponente: Für uns ist es ein Freundschaftsspiel, mit dem wir uns auf die Saison vorbereiten.


Persönlich: Raphael Wicky

Raphael Wicky kommt am 26. April 1977 in Leuggern AG auf die Welt, wächst aber im Oberwalliser Dorf Steg auf. Schon mit 16 beruft ihn Umberto Barberis von der U18 in die erste Mannschaft des FC Sion. Ein Jahr später ist er Nationalspieler und bringt es auf 75 Länderspiele mit einem Tor: gegen die Färöer. Mit 20 wechselt er in die Bundesliga zu Werder Bremen. Nach vier Saisons gehts für ein Jahr zu Atletico Madrid und dann zum HSV. Insgesamt kommt Wicky auf 218 Bundesliga-Einsätze. Nach einer Rückkehr zum FC Sion und einem Abstecher zu CD Chivas in die MLS beginnt die Trainerkarriere als Coach der U18 und dann der U21 des FCB. Es folgt die erste Mannschaft, wo er nach acht Meisterschaften in Folge den Titel verpasst, aber für die erfolgreichste Champions-League-Saison des FCB aller Zeiten mit dem Erreichen der Achtelfinals sorgt. Nach nur zwei Pflichtspielen in der neuen Saison muss er aber gehen. Er wird U17-Nati-Coach in den USA und dann Trainer bei Chicago Fire. Wicky spricht viereinhalb Sprachen.


https://www.blick.ch/sport/fussball/yb- ... 28984.html

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 Betreff des Beitrags: Re: (Trainer) Raphael Wicky
 Beitrag Verfasst: Sonntag 10. Juli 2022, 01:30 
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08.07.2022

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YB-Trainer Raphael Wicky

«Warum sollte ich jetzt sagen, dass wir Meister werden müssen?»

Der 45-jährige Oberwalliser übernimmt bei den Young Boys als Trainer seine zweite Schweizer Profimannschaft. Im Interview wehrt er sich energisch gegen zu hohe Erwartungen und erklärt den Unterschied zwischen Felix Magath und Huub Stevens.

Betrachten Sie den Trainerjob bei YB als Ihre letzte Chance?

Nein. Weshalb die Frage?

Sie sagten der NZZ einmal, dass ein Trainer zwei Patronen erhalte. Warum haben Sie nach Basel und Chicago eine dritte Chance bekommen?

Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass ich zwei Patronen verschossen habe. Ich finde nicht, dass ich in Basel einen schlechten Job gemacht habe. Im Nachhinein standen ja Verantwortliche wie Präsident Bernhard Burgener dazu, dass meine Entlassung ein Fehler gewesen sei. Und in Chicago war die Situation eine ganz andere.

Inwiefern?

Vor meiner Zeit schaffte es Chicago in zehn Jahren zweimal in die Playoffs, ich übernahm also kein Team, das achtmal in Folge Meister wurde. Und aktuell steht ja Chicago nicht besser da. Ich bewerte meine Zeit dort nicht als Scheitern.

Dann können Sie die eingangs gestellte Frage nicht nachvollziehen?

Es ist klar: Wenn der Erfolg ausbleibt, wird es irgendwann schwierig, vor allem, wenn man sich auf einen gewissen Markt beschränkt. Aber ich sehe meine Lage überhaupt nicht so. Ich bin privilegiert und stolz, kann ich Trainer bei YB sein. Und ich bin überzeugt, dass ich YB weiterbringen kann.

Ist es das Leidwesen des Trainers, dass seine Arbeit am Ende vor dem Hintergrund der Resultate gemessen wird?

Wie Leute etwas bewerten, kann ich nicht kontrollieren. Ich muss mich nicht rechtfertigen, was in Basel oder Chicago war. Nur so viel: In Chicago lief mein Vertrag im vergangenen November aus, ich wurde nicht entlassen. Klar, die Realität ist, dass die Resultate in Chicago nicht gut waren, aber ich hatte dennoch das Gefühl, dass meine Arbeit geschätzt wurde. Es gab auch danach Clubs in den USA, die sich für mich interessierten. Ich wollte aus privaten Gründen eine Pause einlegen.

Kennen Sie Selbstzweifel?

Selbstzweifel ist ein grosses Wort. Aber jeder Trainer sollte seine Arbeit andauernd hinterfragen. Ich nehme mir diese Zeit, weil diese Analysen sehr wichtig für die Entwicklung sind. Aber natürlich ist das individuell. Es gibt Trainer, die übernehmen sofort wieder einen Job. Ich legte bis anhin zwischen zwei Engagements freiwillig immer eine längere Pause ein.

Wofür steht denn der Trainer Wicky?

Ambition, Menschlichkeit, Bodenständigkeit. Ich will eine Mannschaft, die eine Einheit ist, die zusammenarbeitet. Ich war als Spieler ein Teamplayer. Das erwarte ich auch von meinen Spielern. Klar kann ein einziger Spieler in einer Partie mal den Unterschied ausmachen, aber elf Individualisten, das funktioniert nicht. Für diese Werte stehe ich ein. Und ich finde, sie passen gut zu YB.

Welche Ambitionen haben Sie mit YB?

Ambition bedeutet für mich, dass ich jeden Tag daran arbeite, besser zu werden, dass ich jeden Tag für die Spieler und den Staff mein Bestes gebe. Das ist die erste Ambition. Meine zweite ist: Bei allem, was ich tue, will ich unbedingt gewinnen.

«Es ist ein Unterschied, ob ich sage: Wir müssen. Oder: Wir wollen.»

Das heisst konkret?

Es ist noch nicht der Moment für eine konkrete Zielvorgabe. Jetzt geht es darum, das Team besser kennen zu lernen, neue Spieler zu integrieren. Es ist klar, dass wir jede Partie gewinnen und maximalen Erfolg wollen. Aber wir starten nicht als Favorit, YB ist letzte Saison Dritter geworden.

Wer ist dann der Favorit?

YB und Basel sind die grössten Vereine. Aber im letzten Jahr ist der FC Zürich Meister geworden. Es wäre vermessen, jetzt zu sagen: Wir müssen das, das und das.

Machen Sie YB so nicht unnötig klein – mit 4 Meistertiteln in 5 Jahren und den besten finanziellen Möglichkeiten?

Ich bin nach Bern gekommen, um Titel zu gewinnen. YB war in den letzten Jahren sehr erfolgreich. Wie gesagt: Wir wollen gewinnen, wir wollen Meister werden. Aber es ist ein Unterschied, ob ich sage: Wir müssen. Oder: Wir wollen. Natürlich wollen wir zuoberst stehen und nicht Dritter werden.

Ist diese Vorsicht ein Learning aus Ihrer Anfangszeit 2017 in Basel, als der damalige Sportchef Marco Streller sagte, nach 17 Punkten Vorsprung in der Vorsaison könne man auch etwas ausprobieren, das Polster sei gross genug?

Ich möchte nicht darauf eingehen, was in Basel war. Ich bin jetzt Trainer bei YB. Die Verantwortlichen haben hier in der Vergangenheit gezeigt, dass sie sehr bodenständig und smart kommunizieren. Das habe ich schon damals in Basel so beobachtet. Und trotzdem war YB immer sehr ambitioniert.

Bei den Aussagen betreffend Zielvorgaben geht es um Druckmanagement …

… ich unterscheide einfach zwischen Wollen und Müssen.

Eben, Sie beabsichtigen so, Druck vom Team zu nehmen.

(Energischer) Warum sollte ich hier jetzt sagen: Wir müssen die Gruppenphase der Conference League erreichen, wir müssen Meister und Cupsieger werden? Das ist doch eine falsche Kommunikation.

Bei den viel besseren Voraussetzungen muss YB doch etwa vor GC stehen.

Das wollen wir selbstverständlich. Aber Sie werden von mir nicht hören, dass wir müssen.

Sie lernen das Team noch immer kennen. Wie erleben Sie die Spieler? Für viele wird es auch um Wiedergutmachung gehen.

Wir arbeiten seit rund drei Wochen zusammen. Die Mannschaft kommuniziert gut, auch neben dem Platz ist Leben da. Und: Sie arbeitet jeden Tag intensiv und hart. Ich komme ja hier als Aussenstehender hinzu, ich will nicht über letzte Saison reden. Ich kann nur das beurteilen und werten, was ich bis jetzt gesehen habe. Und das stimmt mich sehr zuversichtlich.

Sind Sie der Typ, der sich beim Essen zu den Spielern setzt? Ein Kumpel?

Nein. Die Mannschaft isst für sich, der Staff auch. Das habe ich auch als Spieler nie anders erlebt.

Mit einigen Spielern verbindet Sie schon eine Vorgeschichte, etwa mit Cedric Itten. Hat das einen Einfluss?

Nein, das muss man trennen. Ich habe der Mannschaft mitgeteilt, dass ich mit ihr ehrlich und direkt umgehen werde. Ich finde, es gilt zwischen Spieler und Mensch zu trennen, und meine Kritik als Trainer betrifft den Spieler. So gehe ich das an. Das heisst nicht, dass man auch einmal zusammensitzt, Empathie füreinander entwickelt. Wir waren im Trainingslager auf einer Fahrradtour, da interessiert man sich schon auch für den Menschen und fragt nach. Aber mein Job ist es nicht, Freund der Spieler zu sein.

Einer Ihrer Vorgänger, Gerardo Seoane, erwähnte kürzlich, dass er von jedem Spieler auch ein wenig über seine private Situation informiert sein müsse.

Es ist sicher wichtig, dass man sich dem Menschen hinter dem Spieler widmet. Wie geht es ihm? Wie und mit wem lebt er? Ist er vielleicht grad Vater geworden? Schläft er deswegen gerade etwas weniger? Das ist wichtig, häufig genauso wie die Taktik auf dem Platz. Aber das braucht Zeit.

«Bei Felix Magath hatte ich jeden Tag Angst, ins Training zu gehen.»

Sie hatten als Spieler ein paar sehr prominente Trainer. Wer hat Sie in diesem Umgang geprägt?

Wie wohl für viele galt da auch für mich: Du nimmst von allen etwas mit …

… auch von Felix Magath?

Klar. Bei ihm hatte ich jeden Tag Angst, ins Training zu gehen. Daraus konnte ich für mich mitnehmen: Ich will nicht, dass ein Spieler bei mir mit Angst ins Training kommen muss, sonst kann er nicht seine beste Leistung erbringen. Er braucht eine gewisse Spannung und klare Regeln. Aber mit Angst lässt sich höchstens kurzfristig etwas erzeugen, auf Dauer funktioniert das aus meiner Sicht nicht.

Haben Sie die ganze ältere Trainergeneration als so übertrieben hart erlebt?

Nein, nein. Huub Stevens etwa hat mich in Hamburg einmal aussortiert, aber es gab für mich überhaupt keinen Grund, ihm böse zu sein, weil er mir das von Beginn weg ganz klar mitgeteilt hat. Ich bin nach diesem Gespräch nicht zufrieden gewesen. Aber mit der Zeit habe ich erkannt: Es war klar und fair. Da nahm ich für mich mit: Direkte, bestimmte Kommunikation ist wichtig.

Der Trainer muss mehr Spieler enttäuschen, als er zufriedenstellen kann.

Das ist eine der ersten und wichtigsten Lektionen. Wenn du 25 Spieler hast und 11 können spielen, liegt das ja auf der Hand. Es ist nicht mein Job, von allen gemocht zu werden. Aber ich habe den Anspruch an mich, dass ich mit jedem ehrlich sein will.

Gefiel es Ihnen eigentlich als Spieler wirklich dort am besten, wo Sie auch Erfolg hatten?

Nicht unbedingt. Viele haben mich immer auf meine Zeit in Madrid angesprochen, die sei sicher schwierig für mich gewesen, nur eine Saison bei Atlético ohne viel Spielzeit. Ich fand das eine absolut grossartige Erfahrung, ich fühlte mich wohl dort, lernte eine neue Sprache und viele Leute kennen. In Bremen spielte ich dreieinhalb Jahre, war zum ersten Mal weg von zu Hause, allein deswegen war die Erfahrung intensiv. In Hamburg war ich am längsten, ich war auch erfolgreich da, aber die wenigsten Kontakte von damals haben bis heute gehalten.

Sie haben die Biografie eines Weltenbummlers – und machen dennoch einen geerdeten Eindruck. Warum?

Ich habe meine Wurzeln nie verloren, weil ich über all die Jahre einen starken Bezug zu meiner Familie behielt. Auch viele meiner besten Freunde kommen aus dem Wallis. In den Ferien war ich fast immer zu Hause. Aber ich wurde zu dem, der ich heute bin, durch all die Erfahrungen in all den Kulturen, die ich über die Jahre gesammelt habe.

Ihr Werdegang als Spieler ist ungewöhnlich. Nahmen Sie ihn selber je so wahr?

Ich war Fussballer und bin Trainer, aber ich habe mich nie allein darüber definiert. Ich bin dankbar, dass ich das alles erleben und machen durfte, ich habe mir so einen Bubentraum erfüllt. Aber ich wusste immer, ich könnte auch ohne Fussball leben. Meine Freunde und Familie sind nicht deswegen nahe bei mir. Das half mir auch, als ich mit 32 Jahren einigermassen früh meine Karriere beendet habe.

«Ich weiss, dass man im Fussball nichts auf Jahre hinaus planen kann.»

Was Sie aber begleitet hat, ist ein ständiges Umherziehen. Könnten Sie auch ohne das leben?

Absolut. Mir gefällt es, wie es hier und jetzt ist. Meine Frau ist aus Los Angeles, mir ist auch wichtig, wie es ihr geht und was sie sagt, und auch sie mag das Leben in Bern. Aber ich weiss, dass man im Fussball nichts auf Jahre hinaus planen kann. Eine gewisse Flexibilität gehört dazu, ich kenne das nicht anders.

Ihre Frau ist als Kalifornierin hier mit einer anderen Welt konfrontiert.

Uns gefällt es sowohl in Südkalifornien als auch in Bern extrem gut. Wir sind sehr privilegiert, dass wir schon an beiden Orten leben konnten.


Der Weltenbummler aus Steg

Als Spieler war Raphael Wicky ein kleiner Pionier. Schon mit 20 hatte der Oberwalliser aus Steg den Schweizer Fussball durchgespielt, war Meister, dreimal Cupsieger mit dem FC Sion und Nationalspieler (total 75 Länderspiele). 1997 wechselte er in die Bundesliga zu Werder Bremen, spielte für Atlético Madrid und den HSV, bevor er in der MLS bei Chivas Regal seine Karriere ausklingen liess.

Beim Nachwuchs des FC Basel war Wicky ab 2013 als Trainer tätig, arbeitete sich bis zum Cheftrainer der ersten Mannschaft hoch. 2019 stieg er im US-Verband als U-17-Trainer ein, ein Jahr später wurde er Coach bei Chicago Fire in der MLS. YB ist Wickys dritte Profistation.

Seit 2018 ist er mit seiner kalifornischen Frau verheiratet, die beiden haben sich nun in Bern niedergelassen.


https://www.bernerzeitung.ch/warum-soll ... 7587293559

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 Betreff des Beitrags: Re: (Trainer) Raphael Wicky
 Beitrag Verfasst: Dienstag 12. Juli 2022, 22:36 
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YB: Das sagt Trainer Raphael Wicky vor Kracher gegen Meister FCZ

Gleich zum Saisonstart empfängt YB den amtierenden Meister FC Zürich im Wankdorf. Eine spezielle Vorbereitung brauche es dafür nicht, meint Coach Raphael Wicky.

Das Wichtigste in Kürze

- Die Super-League-Saison startet am Samstag mit dem Kracher YB - FCZ.
- Bei beiden Teams stehen neue Cheftrainer an der Seitenlinie.
- Raphael Wicky zeigt sich vor dem Auftaktspiel relativ gelassen.

«Wir sind ambitioniert und haben grosse Ziele», sagt Raphael Wicky bei der Saisonstart-Medienkonferenz vor dem Auftakt gegen den FCZ. Und er ergänzt: «Wir ordnen denen alles unter.»

Mit der vierwöchigen Vorbereitung sei er zufrieden. «Die Mannschaft ist hungrig, arbeitet viel und hart. Der Kader ist gross und damit auch der Konkurrenzkampf. Den braucht es», so Wicky auch im Hinblick auf die Quali-Spiele zur Conference League.

Der Walliser freut sich auf die brisante Affiche am Samstag. «Es ist schön, beim Auftakt auf den Meister zu treffen. Es wird ein schwieriges, intensives Spiel.»

Abgänge bei YB sind noch möglich

Eine aussergewöhnliche Vorbereitung plane er nicht, auch wenn es gegen den FCZ gehe. Es ändere nichts daran, gegen wen man spiele. «Da bereiten wir uns nicht speziell darauf vor. Ich gehe davon aus, dass jede Partie schwierig wird.»

Da bereitet die bevorstehende Hitze schon mehr Kopfzerbrechen. Wicky: «Wir müssen uns auf die äusseren Bedingungen vorbereiten. Wir diskutieren, ob wir da noch etwas Bestimmtes machen können.»

Der aktuelle Kader von YB dürfte allerdings nicht bis zum Ende der Transferperiode bestehen bleiben. Sportchef Steve von Bergen meint: «Zugänge und Abgänge sind noch möglich.»

Über die bisherigen Neuverpflichtungen zeigt er sich erfreut: «Wir sind sehr glücklich mit den Transfers. Wir haben eine komplette Mannschaft mit vielen Spielern und guter Qualität.» Diese brauche es auch, vor allem wenn man lange europäisch mit dabei bleibe, so Von Bergen.


https://www.nau.ch/sport/fussball/yb-da ... z-66219966

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 Betreff des Beitrags: Re: (Trainer) Raphael Wicky
 Beitrag Verfasst: Mittwoch 13. Juli 2022, 08:38 
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YB-Trainer Raphael Wicky

So bereiten wir uns auf die Hitze vor

Die Schweiz ist von einer Hitzewelle betroffen. Diese beschäftigt auch die Super-League-Klubs. Der YB-Trainer Raphael Wicky erklärt, wie sie mit dieser Situation umgehen.


https://www.blick.ch/sport/fussball/sup ... 55582.html

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 Betreff des Beitrags: Re: (Trainer) Raphael Wicky
 Beitrag Verfasst: Donnerstag 21. Juli 2022, 23:28 
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«Die Antwort liegt auf der Hand»

Raphael Wicky ist in Bern angekommen. Er wohnt bereits hier, ist zufrieden und glücklich und vor allem voller Ambitionen. Der ehrgeizige Walliser ist begeistert, wie sehr bei YB strukturiert und klar organisiert gearbeitet wird. Im Gespräch mit dem Bärnerbär gesteht der neue YB-Trainer auch, dass sich seine Besuche in der Bundesstadt bisher mehrheitlich auf das Wankdorf beschränkten. In ganz jungen Jahren als Sion-Fan, später als Spieler und dreifacher Cupsieger mit den Wallisern.

Wussten Sie nach der Anfrage sofort, dass Sie YB übernehmen wollen?
Ja, als man mir sagte, ich sei Favorit für den Trainerposten und nach den ersten Gesprächen war mir das klar. Ich kannte die Menschen. Das machte den Entscheid einfach.

Eine Rückkehr zu Sion, ins Land der Aprikosen, Tomaten und Reben, war nie ein Thema?
Nein, nie.

Was macht YB für einen Trainer so attraktiv?
Es ist das Gesamtpaket. Seit Christoph Spycher die sportliche Leitung hat, gibt es Kontinuität. Auch die Art und Weise, wie extern kommuniziert wird, ist beeindruckend. Schon von aussen betrachtet erhielt ich den Eindruck, dass bei YB sehr strukturiert und organisiert gearbeitet wird und ein klarer Plan besteht, auch bei den Transfers, wie Abgänge immer wieder entsprechend mit Zuzügen kompensiert werden. Dieser Eindruck hat sich nun noch verfestigt.

Ihre Chefs, Christoph Spycher, Steve von Bergen oder Stéphane Chapuisat, sind alles ehemalige Nationalspieler und waren zeitweise Ihre Weggefährten. Hatte diese Tatsache einen Einfluss auf Ihren Entscheid, weil Sie wussten, wie sie funktionieren?
Ich kannte sie alle, auch wenn wir in den letzten Jahren wenig in Kontakt waren. Wissen Sie, ehemalige Nationalspieler sind nicht automatisch gute Trainer oder Sportchefs, aber ich wusste, dass es zusammenpasst.

Werden Spiele gegen Sion oder Basel für Sie etwas Spezielles sein?
Ich bin sicher bei diesen Spielen nicht angespannter als bei jedem anderen Match. Aber ja, in Sion habe ich lange gespielt und YB gegen Basel ist immer eine spezielle Affiche.

Sie haben unter sieben verschiedenen Nationaltrainern (Hodgson, Jorge, Fringer, Gress, Zaugg, Trossero und Kuhn, d. Red.) gespielt. Welche Erinnerungen kommen Ihnen spontan in den Sinn?
(Lacht) Das waren sehr verschiedene Typen. Am prägendsten war sicher Köbi Kuhn. Unter ihm spielte ich am längsten. Er war immer authentisch, die Spieler wussten, dass es gewisse Regeln einzuhalten galt, auch wenn er uns an der langen Leine führte.

Wissen Sie, wie lange Sie mit Sportchef Steve von Bergen zusammen in der Nationalmannschaft gespielt haben?
Ja, ich denke, das war nur ein Spiel.

Richtig. Genau waren es acht Minuten. Am 6. September 2006 beim 2:0 gegen Costa Rica feierte von Bergen in der 70. Minute sein Debüt, Sie bestritten ab der 82. Minute Ihr letztes Länderspiel.

Welches sind die Ambitionen für kommende Saison?
Die genauen Zielsetzungen werden wir noch abstecken. Nur so viel: Die Antwort liegt auf der Hand, wir suchen den grösstmöglichen Erfolg.

Adi Hütter und vor allem Gerardo Seoane waren Meister der Taktik, stellten oft auch während der Spiele je nach Resultat die Marschroute um. Was kann man von Ihnen in dieser Beziehung erwarten?
Ich will nicht immer alles auf den Kopf stellen und wechseln. Aber an meinen bisherigen Stationen arbeitete ich taktisch flexibel. Unsere Mannschaft ist fähig, während des Spiels das System zu wechseln, das trainieren wir auch. Die Spieler nehmen das sehr schnell auf.

Eine Ihrer schwierigsten Aufgaben wird es sein, alle Spieler bei Laune zu halten. Das Kader ist breit, einige müssen auf die Bank, andere gar auf die Tribüne. Wie gehen Sie dieses Problem an?
Das ist ein Teil des Jobs als Trainer. Dank der starken Konkurrenz können sich die Spieler nicht in der Komfortzone bewegen, das ist bei der Qualität des Kaders normal. Es geht dann darum, dass diejenigen, die nicht zum Einsatz gelangen, keinen «Lätsch» machen, sondern sich als echte Teamplayer zeigen und die anderen unterstützen. Das verlangen wir kompromisslos von ihnen. Sonst würden wir Probleme bekommen.

Zwar wurde zuletzt David Wagner entlassen, aber YB und vor allem Spycher sind bekannt für Seriosität und Ruhe. Sie stehen für Kontinuität. Gibt das dem Trainer in einer schnelllebigen Branche eine gewisse Sicherheit?
Im Fussball ist man schnell oben und schnell wieder unten. Ich kann jeden Tag nur die Arbeit kontrollieren, nicht aber die Resultate. Wichtig scheint mir, dass Entscheidungen nicht aus Emotionen gefällt werden. Und bei YB ist das der Fall.

Sie sind ein halber Berner. Was verbindet Sie mit Bern?
Meine Mutter stammt aus Safnern, ich habe als Kind viel Zeit im Seeland verbracht. Aber die Stadt, von der ich bisher vor allem das Wankdorf kenne, werde ich sicher bei Gelegenheit erkunden.

Erzählen Sie, wie das damals 2004 mit den blonden Haaren zustande kam.
(Lacht) Das war vor der Euro 2004 eine spontane Idee. Beckham hatte blonde Haare, warum nicht auch ich? Ich stach so den Beobachtern noch mehr ins Auge. Und im Nachhinein sage ich: Ich bereue das nicht, aber es war auch nicht unbedingt nötig.


https://baernerbaer.ch/sport/die-antwor ... f-der-hand

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 Betreff des Beitrags: Re: (Trainer) Raphael Wicky
 Beitrag Verfasst: Samstag 23. Juli 2022, 23:52 
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«Wir Favorit? Damit kann ich umgehen»

YB-Trainer Raphael Wicky über die Rolle des Gejagten, seine Erfahrungen, ein hochkarätiges Kontingent und das Gastspiel im Wallis.
Hans-Peter Berchtold

Raphael Wicky: Sie sagen, Sie seien nicht mehr derselbe Trainer, der vor fünf Jahren beim FC Basel seinen Einstand in der Super League gab. Was hat sich verändert?

Meine Vision vom Fussball hat sich nicht verändert, sie passte sich nur in kleinen Details an. Der Trainerjob lebt von der Erfahrung, die habe ich mir seither angeeignet. In der Führung der Mannschaft und des Staffs, da entwickelte ich mich weiter und profitierte von meiner Trainertätigkeit in den USA. Nach meiner Entlassung in Basel habe ich zudem für mich selber analysiert: Was war bei meiner Arbeit da gut, was weniger, was kann ich besser machen?

Mit welchen Erkenntnissen?

Ich bin wirklich nicht mehr derselbe Trainer wie vor fünf Jahren.

Durch die Erkrankung des Vaters wollten Sie für die Familie da sein. Die Trainer-Auszeit von mehreren Monaten, wie wichtig erwies sich die für Sie persönlich?

Jeder Trainer muss für sich entscheiden, wann er wo einsteigen will. Ob der Moment während der Saison passt oder nicht. Für mich hat es gepasst, nach meinen Engagements in Basel und bei Chicago einige Monate zu warten, bis ich eine neue Mannschaft übernehme. Es war für mich früh klar, dass ich erst auf die neue Saison wieder als Trainer einsteige. Wobei ich wie jetzt bei YB das Gefühl haben muss, dass es für mich total stimmt.

Sie haben sich bereits als Spieler nie nur über den Fussball definiert.

Fussball ist mein Leben und steht als Job seit jeher im Mittelpunkt. Ich nehme mich aber nicht so wichtig, weil ich eine Karriere als Profi hinter mir habe, im Sport immer noch eine spezielle Funktion ausübe und man mich deshalb erkennt. Ich definiere mich als Mensch nicht allein über den Fussball.

In der Schweizer Super Lea- gue gibt es viele ehemalige Spitzenspieler auf der Trainerbank. Ist eine eigene Karriere Voraussetzung dazu?

Nein, das ist keine Voraussetzung. Als Spieler erlebst du vieles in der Kabine und auf dem Trainingsplatz, was dir später als Trainer hilfreich sein kann. Viele Spitzentrainer wie etwa Jürgen Klopp, Thomas Tuchel oder Jürgen Nagelsmann waren selber jedoch nie absolute Spitzenspieler.

Wie wichtig kann es für einen Trainer sein, diesen Job im Nachwuchsbereich zu beginnen?

Für mich war das der richtige Schritt. Trainer ist ein Beruf, den man erlernen muss. Es ist eine komplett andere Funktion als diejenige des Spielers. Im Nachwuchsbereich kannst du taktische Sachen oder Trainingsübungen ausprobieren, die nicht direkt funktionieren müssen. Das bleibt hier noch ohne direkte Konsequenzen. Trotzdem darf man eines nicht unterschätzen: Der Wechsel vom Junioren- zum Profitrainer ist enorm, weil im oberen Bereich noch viel mehr dazukommt betreffend Teamführung.

Beim FC Basel gab es vor fünf Jahren für Sie ein abruptes Ende nach zwei Pflichtspielen in Ihrer zweiten Saison. Sind Sie damals beim Einstieg als Trainer in der Super League gescheitert?

Ich schaue nicht gern zurück. Trotzdem hatte ich beim FC Basel damals nie das Gefühl, als Trainer versagt zu haben. Ich und mein Staff haben gute Arbeit geleistet in Basel mit einer starken Kampagne in der Champions League. Der Verein konnte daraufhin Spieler für 60 Millionen Franken verkaufen. Viele Sachen, die der Klub verlangte, wie etwa die Integration von Nachwuchsspielern, haben wir umgesetzt. Wir haben keinen Titel gewonnen, trotzdem sind ich und mein Trainerstaff damals in Basel nicht gescheitert.

Wie lief es zuletzt in den USA bei Chicago Fire ab?

Die drei Jahre in Amerika als U17-Nationaltrainer und in der MLS bei Chicago Fire waren für mich unglaublich lehrreich. In Chicago lief mein Zweijahresvertrag aus und wurde nicht verlängert. Der Verein war verpflichtet, mir Anfang Oktober mitzuteilen, ob man die Option einer Verlängerung zieht oder nicht. Der Entscheid fiel negativ aus, und aufgrund meiner privaten Situation mit der Erkrankung meines Vaters durfte ich den Verein ab dem Moment schon verlassen. Es war also keine Entlassung, sondern keine Verlängerung der Zusammenarbeit. Es waren für alle in der MLS zwei schwierige Saisons wegen Covid und dem Verpassen der Playoffs. Ich bin aber auch hier nicht gescheitert.

Wie hilfreich sind diese Erfahrungen für die weitere Karriere als Trainer?

Der Trainerjob lebt von Erfahrung. Deshalb gibt es derzeit viele Toptrainer, die über 60 Jahre alt sind. Ich werde in einigen Jahren mit bestimmten Situationen in meinem Job noch besser umgehen können als heute.

Wo muss YB nach einer Saison stehen, abgesehen von einem Titel, damit Sie hier erfolgreich sind?

Erfolg ist immer abhängig von den Resultaten, an denen werden wir gemessen. Wir haben bei YB vor der Saison unsere Ziele klar definiert.

Die lauten?

Wir wollen um den Titel spielen, wir wollen Meister werden. Mit dieser Ambition sind wir in die Meisterschaft gestiegen mit der Gewissheit, dass andere Teams dasselbe Ziel haben. Ich als Trainer kann das jedoch nicht kontrollieren. Für mich ist es wichtig und entscheidend, welche Einstellung und Mentalität ich dem Team bei der täglichen Arbeit vermitteln kann. Was ich da reinbringe, das kann ich kontrollieren und fordern. Wenn jeder Spieler die beste Version von sich auf den Platz bringt, dann können wir zusammen etwas erreichen. Und Resultate erzielen.

Die Favoritenrolle liebt niemand, trotzdem gilt YB anhand der Transfers und des vorhandenen Spielerpotenzials als erster Anwärter auf den Titel.

Das ist für uns keine Belastung, die Aussenansicht können wir nicht kontrollieren. Der Klub war zuletzt mit einem dritten Rang nicht zufrieden und wäre dies mit demselben Platz auch in dieser Saison nicht. Wenn man uns als Favorit sieht, können wir damit umgehen. Aber mit so was beschäftige ich mich eigentlich nicht. Solche Gedanken nehme ich nicht mit, sondern nur die Ideen, die ich umsetzen und beeinflussen kann.

Beim Startspiel war nicht nur das Resultat beim 4:0 über den amtierenden Meister FCZ beeindruckend, sondern auch die Namen auf der Ersatzbank wie Ugrinic, Ngamaleu, Nsame oder Benito. Wie wichtig ist die Kommunikation mit Spielern, die sich eigentlich auf dem Platz sehen und da noch nicht stehen dürfen?

Dieser Umstand entspricht einem schönen Problem für einen Trainer. Ich werde mich nie darüber beklagen, zu starke Spieler auf der Ersatzbank zu haben. Der Konkurrenzkampf im Team pusht jeden Spieler, um jeden Tag besser werden zu müssen, weil er auf seiner Position in der Startelf stehen will. Die Kommunikation ist dabei wichtig, doch es geht immer um die Mannschaft.Kein einzelner Spieler ist wichtiger als das Team, trotzdem füllt jeder darin eine wichtige Rolle aus.

Muss ein Trainer immer ehrlich sein zu seinen Spielern, was deren Perspektiven betrifft?

Ich bin es, die Ansprache muss ehrlich und direkt sein. Jeder muss wissen, was von ihm verlangt wird. Ich kann nicht jeden Spieler zufriedenstellen, doch das ist auch nicht meine Aufgabe. Ich muss Entscheidungen treffen, und die gefallen nicht jedem.

Sie können sich neben Deutsch mit den Spielern auch in Französisch, Englisch, Spanisch oder Italienisch unter- halten, hilft das?

Das hilft, auch wenn man mit den Spielern in ihrer Muttersprache mal nicht nur über Fussball redet. Wenn ich jedoch einem erklären muss, dass er nicht spielt, tönt das in jeder Sprache hart für ihn.

Sie verlangen vom Team dominanten Fussball mit viel Ballbesitz und Leidenschaft. Wie weit bewegt sich YB bereits an diesen Wunschvorstellungen des Trainers?

Wir wollen in Ballbesitz aktiv und dominant sein. Nach fünf Wochen Zusammenarbeit mit der neuen Mannschaft ist noch nicht alles perfekt, das war es auch im Startspiel gegen den FC Zürich nicht. Nur das Resultat war perfekt. Auch, wie man nach dem vergebenen Elfmeter des Gegners reagiert hat und wie sich die Einwechselspieler eingebracht haben. Was mir zudem gefallen hat: Selbst nach dem 2:0 praktizierten wir hoch stehend ein aktives Pressing und sind bis zuletzt nie abwartend geworden.

Das Spiel beim FC Sion steht an, warum sind Sie im Wallis beim Stammverein als Trainer eigentlich nie ein konkretes Thema geworden?

Es gab nie einen konkreten Kontakt, was dies betrifft. Doch das beschäftigt mich nicht.

Sie haben Sittens Auswärtsspiel in Lugano am TV analysiert, was haben Sie für einen Eindruck vom nächsten Gegner erhalten?

Ich werde mir noch andere Videosequenzen des FC Sion anschauen. Daraus gibt es Erkenntnisse, auf die wir uns vor dem Spiel einstellen werden.

Als FC-Basel-Trainer haben Sie es bereits erlebt. Trotzdem bleibt es für Sie ein besonderes Erlebnis, als Gäste-Coach im Wallis zu gastieren, oder?

Ja, es bleibt so. Von meiner Geschichte bei diesem Klub her bleibt es speziell, im Tourbillon an der Linie zu stehen. Ich kenne natürlich den Präsidenten und seinen Sohn und respektiere sie. Vom aktuellen Verein FC Sion kenne ich die übrigen Leute aber kaum mehr und habe keinen Kontakt zu ihnen. Aber es bleibt das Wallis, meine Heimat und ein Verein, bei dem ich von 13 bis 20 Jahren trainiert und gespielt habe.

Wie schwierig wird es für YB, im Wallis zu gewinnen?

Es bleibt immer schwierig, im Tourbillon zu gewinnen. Auch dieses Mal, auch für YB.


Zur Person

Raphael Wicky stand als Spieler beim FC Sion bereits mit 16 Jahren unter Trainer Umberto Barberis im Aufgebot der Profis. Mit 20 Jahren wechselt er in die Bundesliga zu Werder Bremen. Nach vier Jahren geht es nach Spanien zu Atlético Madrid, wo der defensive Mittelfeldspieler einen lukrativen Vertrag erhält und diesen einem Angebot von Borussia Dortmund vorzieht. Ein Jahr später kehrt er nach Deutschland zurück und spielt fünf Jahre beim Hamburger SV. Nach einer kurzen Rückkehr zum FC Sion beendet er 2008 beim CD Chivas in den USA seine Spielerkarriere. Für die Nationalmannschaft bestreitet er 75 Länderspiele und erzielt dabei ein Tor gegen die Färöer.

Seine Trainerkarriere beginnt Raphael Wicky im Nachwuchs von Servette, wechselt dann in die Juniorenabteilung des FC Basel und übernimmt hier 2017 die erste Mannschaft. Nach einer Saison mit dem Vorstoss in die Achtelfinals der Champions League wird Wicky in seinem zweiten Jahr bereits nach zwei Pflichtspielen entlassen. Daraufhin coacht er die U17 der USA und wird Trainer bei Chicago Fire. Hier wird sein Vertrag nach zwei Saisons nicht erneuert. Wicky kehrt in die Schweiz zurück und Anfang Juni 2022 als neuer Trainer der Berner Young Boys vorgestellt. Der 45-Jährige ist mit der Kalifornierin Laura verheiratet und wohnt mit ihr seit seinem Amtsantritt bei YB in Bern.



Zu den YB-Wallisern

Trainer Raphael Wicky zu den drei Wallisern bei YB.

Zu Vincent Sierro: Er hat die gesamte Vorbereitung mitgemacht und stand gegen den FCZ in der Startelf. Sierro weiss, was ich von ihm verlange und wo er sich verbessern kann. Er ist ein wichtiger Spieler für uns.

Zu Quentin Maceiras: Er hat sich schon nach drei Tagen in der Vorbereitung eine Muskelverletzung zugezogen und ist immer noch nicht im Teamtraining. Wir hoffen darauf, dass er bald einmal wieder fit ist.

Zu Joël Monteiro: In ihm sehen wir viel Potenzial. Mit 23 Jahren hat er noch relativ wenig Erfahrung auf Profiniveau und war zuletzt viel verletzt. Er muss an sich arbeiten, weil bei YB auf den Stürmerpositionen viel Konkurrenz vorhanden ist. Er muss geduldig sein und seine Chance nutzen, wenn sie kommt.

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 Betreff des Beitrags: Re: (Trainer) Raphael Wicky
 Beitrag Verfasst: Dienstag 26. Juli 2022, 11:17 
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Wickys Einstieg bei YB geglückt

«Ich verspüre deutlich weniger Druck in Bern als in Basel»

Den Young Boys ist ein Start nach Mass gelungen. Die Berner beeindrucken nach der enttäuschenden letzten Saison mit einer fehlerfreien ersten Fussball-Woche.

In den ersten acht Tagen haben die Young Boys ein Ausrufezeichen gesetzt. Auf das 4:0 zum Auftakt gegen den FC Zürich folgten zwei weitere Siege: das 1:0 gegen die Letten von Liepaja in der Conference League und das 3:0 am Sonntag in Sitten. «Man gewinnt keine Meisterschaft in den ersten beiden Runden», trat der neue Coach Raphaël Wicky auf die Euphoriebremse. «Aber ich bin natürlich sehr zufrieden. Wir haben keinen Treffer kassiert.» Nichtsdestotrotz sei noch nicht alles perfekt.

Der Walliser denkt dabei wohl an die erste Stunde gegen den FCZ und die Torchancen, die sein Team dem FC Sion zugestehen musste. Die Innenverteidigung mit Fabian Lustenberger und Mohamed Ali Camara machte nicht immer einen souveränen Eindruck. Aber ein Grund zur Sorge ist das für Wicky eigentlich nicht. Er besitzt auf allen Positionen wenn nötig valablen Ersatz. Für die Innenverteidigung etwa Sandro Lauper oder Cédric Zesiger.

Wicky kann auf individuelle Qualität zählen. Fabian Rieder macht als Mann hinter den Spitzen Eindruck, Christian Fassnacht und Nicolas Moumi Ngamaleu überzeugen auf den Seiten. Aber am eindrücklichsten ist die Breite des Kaders. In Sion konnte es sich Wicky leisten, Jean-Pierre Nsame, Félix Mambimbi, Meschack Elia, Loris Benito, Alexander Jankewitz und Donat Rrudhani auf die Ersatzbank zu setzen.

31 Spiele bis Mitte November?

In der vergangenen Saison führten zwei wichtige Gründe zu den enttäuschenden Resultaten: zum einen die defensiven Schwächen, die in der Rückrunde in einer Serie von 16 Spielen mit mindestens immer einem Gegentor mündeten, und zum anderen eine Ersatzbank, die weniger hergab als in den letzten Meistersaisons. Nun wurde das Kader aufgerüstet im Hinblick auch auf die kommenden Aufgaben. Gelingt die Qualifikation für die Gruppenphase der Conference League spielt YB bis Mitte November 31 Partien.

Eine der wichtigsten Aufgaben von Wicky wird es sein, den Konkurrenzkampf innerhalb des Teams zu kanalisieren. Am vorletzten Wochenende hatten Nsame und Moumi Ngamaleu auf der Ersatzbank ihren Ärger über das Reservistendasein nicht kaschiert. Wicky sieht den nächsten Monaten auch dank dem guten Start aber gelassen entgehen: «Ich verspüre deutlich weniger Druck in Bern als in Basel», sagt der 45-Jährige, der seine Trainerkarriere auf höchstem Niveau 2017 in Basel lanciert hatte.


https://www.bluewin.ch/de/sport/super-l ... 14677.html

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 Betreff des Beitrags: Re: (Trainer) Raphael Wicky
 Beitrag Verfasst: Freitag 29. Juli 2022, 15:51 
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YB: Wicky macht vieles richtig – Rrudhanis Stern aufgegangen

Es läuft bei YB: Vier Spiele, vier Siege – und ein Torverhältnis von 11:0. Alles perfekt unter dem neuen Trainer Raphael Wicky? Fast! Ein Kommentar.

Das Wichtigste in Kürze

- YB steht nach einem 3:0-Sieg in der dritten ECL-Quali-Runde, wo Kuopion PS wartet.
- YB-Trainer Raphael Wicky gibt bisher eine gute Figur ab.

Gestern im Conference-Rückspiel gegen Liepaja (3:0) rotiert YB-Trainer Raphael Wicky (45) erneut. Der Walliser leistete sich den Luxus, Stars wie Christan Fassnacht (zwei Saisontore) oder Wilfried Kanga (drei Saisontore) gar nicht erst einzuwechseln.

Nein, Wicky schenkt dem jungen Ex-Aarau-Captain Donat Rrudhani (23) das Vertrauen in der Startelf. Rrudhani wirbelt, spielt voller Selbstvertrauen – und schiesst sein erstes Tor für YB. Er avanciert zum besten Mann auf dem Platz. Da ist gestern im Wankdorf definitiv ein Stern aufgegangen.

Ein sackstarkes Debüt gibt auch Ex-FCZler Kevin Rüegg (23) ab: Der bullige Rechtsverteidiger (1,73 m/77 Kilogramm) scheint mit seiner Grösse, Antritt und Technik prädestiniert zu sein für den schnellen Kunstrasen.

Die Berner verfügen über ein qualitativ unfassbar gutes und vor allem breites Kader. Trotz riesigem Konkurrenzkampf und Rotation wirkt auch die Stimmung hervorragend. Dass die Torschützen gemeinsam mit den einlaufenden Ersatzspielern jubeln, ist ein gutes Zeichen.

Wicky hält seine Mannen geschickt bei Laune, gibt wirklich allen ein Zückerchen. Gestern darf sogar Verteidiger-Talent Aurèle Amenda (18) eine Halbzeit lang ran – auch Felix Mambimbi (21) wird eingewechselt.

Wicky selbst gibt eine souveräne Figur ab. Er coacht aktiv – hält sich mit seinem Trainerteam aber im Hintergrund, wenn nach den Spielen mit den Fans gejubelt wird.

Jubelstürme gibt es bei YB keine. Man fragt sich eher: Was wäre im FCZ-Spiel passiert, hätte Antonio Marchesano den Elfer nicht verschossen? Wie stark wäre Sion im Wallis ins Spiel zurückgekommen, wenn ein Tor gefallen wäre? Noch kein Spiel war bisher ein Selbstläufer, sogar gestern hatten die Letten das 1:1 auf dem Fuss.

Fazit: YB hat – im Gegensatz zur letzten Saison – schon jetzt einen Lauf und besitzt grosses Selbstvertrauen. Wer soll sie zurzeit aufhalten? Am Sonntag probiert es GC.


https://www.nau.ch/sport/fussball/yb-wi ... n-66232168

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 Betreff des Beitrags: Re: (Trainer) Raphael Wicky
 Beitrag Verfasst: Samstag 6. August 2022, 12:35 
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Raphael Wicky: «Ich muss niemandem etwas beweisen»

Erstmals seit seiner Entlassung beim FCB kehrt Raphael Wicky nach Basel zurück – als Trainer des grossen Rivalen YB.

Es ist der nächste Härtetest für das erstarkte YB. Am Sonntag um 16.30 Uhr gastieren die Berner beim FCB. Fünf Jahre lang hat Trainer Raphael Wicky in Basel gearbeitet. Nun soll er die entthronten Berner wieder zum Meistertitel führen. Im Interview spricht der 45-jährige Wicky über den Titelkampf, seine Zeit in den USA und die schwierigen Tage auf der Intensivstation im Kampf um das Leben seines Vaters.

Zur Person

Am 26. April 1977 wird Raphael Wicky geboren, er wächst in Steg im Wallis auf. Mit dem FC Sion ist er 1997 beim zweiten und bisher letzten Meistertitel dabei, danach wechselt er ins Ausland, spielt für Werder Bremen, Atletico Madrid, Ham- burg und zuletzt Chivas Regal in den USA. Wicky absolviert 75 Länderspiele. Als Trainer ist er ab 2013 im Nachwuchs des FCB tätig, 2017 übernimmt er die Profis, muss nach einem Jahr aber wieder gehen. Danach trainiert er die U17 der USA und Chicago Fire. Seit diesem Sommer ist Wicky YB- Trainer. Er wohnt mit seiner Frau Laura in Bern.

Vor Saisonstart galt YB als Favorit auf den Meistertitel. Drei Wochen später müssen wir schon korrigieren und sagen: YB ist der klare Favorit auf den Titel – ein- verstanden?

Raphael Wicky: Das geht mir zu schnell. Wir wollen Meister werden, ja. Wir sind gut gestartet, ja. Aber trotzdem schadet es bestimmt nicht, Ruhe zu bewahren. Sie dürfen gerne vorschnell ein Fazit ziehen – wir selbst tun das ganz bestimmt nicht. Wir haben die letzte Saison nicht vergessen. Ich weiss nicht, in wie vielen Ligen der Vorjahresdritte als klarer Favorit auf den Titel bezeichnet wird...

«Ich bin noch der gleiche Mensch wie 2018, aber als Trainer viel weiter.»

Am Sonntag kehren Sie erstmals als Trainer in den St. Jakob-Park zurück, seit Sie 2018 in Basel entlassen wurden. Wie speziell ist das?

Es ist sicher kein Spiel wie jedes andere. Ich habe fünf Jahre in Basel gelebt, das ist eine lange Zeit in einem Fussballer-Leben. Ich habe viele tolle Leute kennengelernt, viele schöne Moment erlebt, sei es in den vier Jahren als Nachwuchstrainer oder in jenem Jahr bei den Profis. Darum ist es speziell, aber nicht, weil ich mir sage: «Jetzt ist es Zeit für eine Revanche!» So funktioniere ich nicht. Ich will den Match gewinnen, aber ich muss niemandem etwas beweisen.

In einem Interview mit der «Berner Zeitung» wurden Sie gefragt, ob der Job als YB-Trainer Ihre letzte Chance sei. Fühlten Sie sich in der Schweiz schon abgeschrieben, obwohl Sie erst ein einziges Jahr beim FC Basel als Profi Trainer waren?

Nein, dieses Gefühl habe ich überhaupt nicht. Die Frage kam auf, weil ich vor einiger Zeit einmal sagte: «Jeder Trainer hat zwei Patronen in seiner Laufbahn. Wenn die erste verschossen ist, bekommt man noch einmal eine zweite.»

Würden Sie diese Aussage heute nicht mehr machen?

Nein. Ich würde wohl etwas weniger verallgemeinern. Es ist schon Fakt, dass man nicht unendlich viele Chancen erhält. Aber die entscheidende Frage ist: Was holt man aus den vorhandenen Möglichkeiten heraus? Ich sehe meine Zeit beim FCB positiv. Wir qualifizierten uns für den Champions-League- Achtelfinal und wurden Zweiter in der Meisterschaft.

«Zu Hause ging es um Leben und Tod – aber ich konnte nur wenig tun, weil ich in Chicago war.»

In der Schweiz hat man Sie an der Seitenlinie seit 2018 nicht mehr gesehen. Wiehaben Sie sich als Trainer weiterentwickelt?

Der Trainerjob lebt auch von der Erfahrung. Es gibt nicht nur viele gute junge Trainer. Sondern eben auch eine Menge sehr guter älterer Trainer, die 20 Jahre oder noch mehr im Rucksack haben und dadurch jede Menge gelernt haben. Die drei Jahre in Amerika, zuerst als U17-Nationaltrainer und dann in der MLS bei Chicago, haben mir sehr viel gegeben. Ich konnte auch viel aus Begegnungen mit anderen Trainern mitnehmen, gerade was Menschenführung und Teamführung angeht. Aber es gibt nicht dieses eine Ding, das ich nun viel besser könnte. Mein Rucksack ist im Gesamtpaket einfach viel voller. Ich bin zwar noch der gleiche Mensch, aber als Trainer viel weiter.

Aus der Zeit in Basel halten sich die Erzählungen, wo- nach Sie Mühe hatten, harte Entscheidungen zu fällen.

Ich habe das auch schon zu hörenbekommen. Aber ein konkretes Beispiel konnte mir noch niemand nennen. Vielleicht kommt das daher, dass ich versuche, mich – ohne gleich Kumpel zu sein – auch etwas in die Spieler hineinzuversetzen und Empathie zu zeigen. Ich habe viele Situationen ja selbst erlebt in meiner Karriere. Und ich bin definitiv kein Typ, der den ganzen Tag herumschreit. Natürlich habe ich mich auch in der Thematik weiterentwickelt, wie es ist, unangenehme Gespräche zu führen. Aber nicht, weil ich dem früher aus dem Weg gegangen wäre oder deswegen schlaflose Nächte gehabt hätte, sondern weil man diesen Situationen immer wieder begegnet. Gespräche sind ein wesentlicher Teil der Trainerarbeit.

Ist es für Sie als neuer Trainer ein Vorteil, dass YB im letzten Jahr den Meistertitel verlor?

Für mich spielt das keine Rolle. Ich gehe meine Arbeit genau gleich an. Ich will nicht zurückschauen. Ich bin hergekommen und habe ein Team angetroffen, das lebt, das sehr hart arbeitet und Erfolge feiern will. Natürlich gefällt es niemandem, auf der Bank zu sitzen. Aber ich sehe, wie jeder bereit ist, alles für die Gemeinschaft zu investieren.

Beim 4:0 zum Saisonstart gegen Meister Zürich setzte YB ein kräftiges Zeichen. Wie schätzen Sie nun die Bedeutung des Gastspiels in Basel ein?

Ich würde nicht so weit gehen, das Spiel als wegweisend zu betrachten. Es ist eine wichtige und schwierige Partie, und schliesslich treffen auch die beiden erfolgreichsten Teams der letzten zehn Jahre aufeinander, aber die Saison geht sehr lange, und wir spielen noch häufig gegen Basel.

Im Frühjahr wechselte Xherdan Shaqiri in die Major League Soccer zu Ihrem Ex-Klub Chicago. Sie haben die Liga als Trainer hautnah erlebt – wie gut ist sie wirklich?

Die MLS ist eine gute und schwierige Liga – sie ist einfach anders als die Ligen in Europa. Erstens ist die Ausgeglichenheit viel grösser, weil jedes Team gleich viel Geld für die Löhne ausgeben darf. Das führt dazu, dass das Gefälle bei den meisten Teams gross ist. Die Vereine in Europa sind breiter aufgestellt, der Fuss- ball ist viel mehr von Taktik geprägt hier. In Amerika ist es sehr intensiv, es geht hin und her, und es ist mehr Platz vorhanden. Dazu kommt, dass die Spiele unter ganz anderen Bedingungen stattfinden. Fünf Stunden Flug bis zum Aus- wärtsspiel auf 2000 Metern Höhe. Dann das nächste Spiel in der Wüste. Ein anderes auf fast gefrorenem Rasen in Montreal. Der grösste Unterschied ist, dass es keinen Absteiger gibt, niemand hat das Messer am Hals nach ein paar Niederlagen. Zudem gibt es unter den Fans kaum direkte Rivalität oder Verbissenheit.

Was bedeutet das für Shaqiri für die WM?Die Frage ist doch: Wo hätte er sonst gespielt?

Wichtig ist, dass er regelmässig zum Einsatz kommt. Das ist in Chicago der Fall. Ich denke, jeder Nationaltrainer ist zufrieden, wenn seine wichtigsten Spieler bis in den November im Rhythmus bleiben.

Ende 2021 wurde Ihr Ver- trag in Chicago nach zwei Saisons nicht verlängert. Mussten Sie sich nach drei Jahren des Lebens in den USA zuerst wieder an die Schweiz gewöhnen?

Das wäre übertrieben. Und auch für meine Frau Laura, die aus Kalifornien stammt, ist es nicht das erste Mal in der Schweiz. Sie war bereits ein Jahr in Basel bei mir.

Gibt es Dinge aus Amerika, die Sie in der Schweiz vermissen?

Sagen wir es so: Ich geniesse das Leben in Amerika sehr, die Positivität der Leute, die Freundlichkeit, auch die Sportmentalität. Aber vermissen? Das ist ein grosses Wort. Das war umgekehrt schon eher der Fall, wenn ich lange weg war ohne meine Familie und Freunde.

Stichwort Familie: Ihrem Vater ging es nach einer Herzoperation mit Komplikationen sehr schlecht. Hat er sich mittlerweile erholt?

Es geht ihm einiges besser, gerade wenn ich es vergleiche mit dem Ende des letzten Jahres. Er konnte sogar schon Spiele von uns im Stadion verfolgen. Mein Papa war insgesamt fast acht Monate im Spital, davon viereinhalb Monate auf der Intensivstation, es war für alle eine intensive Zeit.

Wie haben Sie diese schwierige Zeit erlebt?

Ich habe seit jeher ein sehr nahes Verhältnis zu meiner Familie. Entsprechend schwierig war es, so weit weg zu sein in so einer akuten Phase. Zu Hause ging es um Leben und Tod – aber ich konnte nur wenig tun, weil ich in Chicago war. Ich bin unendlich dank- bar für die Menschlichkeit, die ich von der Führung in Chicago erleben durfte. Sie stellten es mir frei, nach Hause zu fliegen, um für meinen Vater da zu sein. Das habe ich dann auch getan. Der Fussball ist mein Leben, meine Leidenschaft, mein Job, seit 30 Jahren schon, aber in solchen Momenten wird einem bewusst, dass es wichtigere Dinge gibt.


https://www.watson.ch/sport/interview/6 ... en-den-fcb

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 Betreff des Beitrags: Re: (Trainer) Raphael Wicky
 Beitrag Verfasst: Sonntag 28. August 2022, 01:41 
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27.08.2022

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YB-Trainer Raphael Wicky nach Europa-Aus

«Jetzt setzen wir uns neue Saisonziele»

Die Enttäuschung sitzt tief. YB verpasst nach einem Penalty-Krimi den Einzug in die Gruppenphase der Conference League. Für YB-Trainer Raphael Wicky ist es zwar ein Rückschlag, aber er gibt sich kämpferisch.


https://www.blick.ch/sport/fussball/con ... 22829.html

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